Tam-Tam im Diesel-Strang
Kaltstart-Probleme beim BNV-Motor (1,4 TDI PD, 80 PS)....
....ein Bullshit-Bingo der Extraklasse....
Wie stellte sich die Störung dar?
Nach dem Betätigen des Anlasser geht der Motor kurz an und dann gleich wieder aus -- oder er springt überhaupt nicht an. Nun muß lange georgelt werden, bis der Motor zu rumpeln beginnt. Sobald der Motor läuft, ist die Horror-Show vorüber und die Maschine schnurrt mit aufreizender Gelassenheit vor sich hin, so als ob nie was gewesen wäre. Man kann jetzt den Motor wieder ausmachen und neu starten, kein Problem: der Motor springt sofort an. Startprobleme gibt es nur, wenn das Auto über Nacht gestanden hat und das Thermometer unter 10 Grad absackt. Diese Geschichte entwickelte sich nach und nach zu einem Minenfeld, wobei man nie sicher sein konnte, ob eine Mine hochging oder mal nicht. Die vielen Variablen, die nachfolgend eine Rolle spielen, machen den Text umfangreicher, als ich es ursprünglich vorhatte.
Man denkt beim Störungsbild sofort an die Vorglühanlage. Glühkerzen und Vorglüh-Relais hatte ich aber vor kurzem erneuert. Außerdem ging bei ´Zündung an´ die Bordspannung von 12,5 Volt auf 11,8 Volt zurück -- ein klarer Hinweis auf sauber arbeitende Glühkerzen. Zudem roch es nach einer Anlasser-Orgel-Party kein bißchen nach unverbranntem Diesel aus dem Endrohr. Meine Vermutung: der Motor bekommt keinen Kraftstoff -- zumindest nicht mit dem von den PDEs benötigten Vordruck. Dieser Spur ging ich nach, was sich später als vollkommen richtig herausstellte.
Der nächste Verdächtige war für mich die Vorförderpumpe im Tank. Allerdings war das Summen im Tank (bei ´Zündung an´) deutlich zu vernehmen. Es gibt eine Möglichkeit, mittels VCDS die Tankpumpe zu testen oder fehlenden Sprit nach vorne zu pumpen. Dazu geht man ins Menü ´Motorsteuergerät´, dort in die GRUNDEINSTELLUNG und sucht Block 35 auf. Sobald Block 35 erreicht ist, beginnt die Tankpumpe zu arbeiten. Synchron dazu blinkt die Vorglühspirale im Tacho. Um die Tankpumpe wieder zu stoppen, einfach den Block wechseln oder das Menü verlassen.
Mit Block 35 läßt sich auch eine größere Menge Kraftstoff nach vorne pumpen, wenn sich der Kraftstoffstrang teilweise entleert hat. Pumpt man via VCDS eine erhebliche Menge Kraftstoff nach vorne und der Motor springt an, dann hat definitiv Kraftstoff in der Leitung gefehlt. Was mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar war: es geht nicht nur um die Fördermenge sondern auch um den Förderdruck.
Mit der Block 35 - Methode läßt sich auch die Förderleistung der Vorförderpumpe checken. Dazu klemmt man die Leitung am Dieselfilter-Ausgang ab, setzt ein passendes Stück Schlauch ein und hängt den Schlauch in ein Gefäß, das wenigstens einen Liter faßt. Wenn man dann Block 35 aufruft, beginnt die Tankpumpe zu fördern. Nach etwa einer halben Minute macht das Pumpen-Programm eine Pause. Jetzt Block 35 verlassen und schauen, wieviel Diesel im Gefäß angekommen ist. Es sollten 500-1000 ml sein. Bei mir war die 1 Liter Dose beinahe voll....damit war klar: an der Förderleistung der Pumpe lag es scheinbar nicht, die stand gut im Futter. Später habe ich die Prozedur am Rücklauf wiederholt. Da kamen in der gleichen Zeit nur 100 ml in die Dose. Warum?
Die PDEs sind das Nadelöhr. Der Kraftstoff muß über 900 winzige Bohrungen in die PDE hinein. Dieser Widerstand muß von der Tankpumpe erst einmal überwunden werden, was einige Zeit braucht, wenn ein über Nacht teilentleertes System neu befüllt werden muß.
Motorseitig konnte ich einiges ausschließen. Die Tandempumpe habe ich erst vor einem halben Jahr erneuert (neues Teil von Pierburg). Auch die Pumpedüse-Einheiten wurden bereits ausgetauscht und haben jetzt gerade mal 30.000 km auf dem Buckel. Die PDE-Sitze (die Löcher im Kopf) waren beim Austausch weder ausgelutscht noch eingearbeitet.
Um die PDEs zu checken, geht man am besten mit VCDS in die Meßwerteblöcke und schaut sich die Leerlauf-Korrektur-Mengen an -- bei betriebswarmem Motor. Die Werte sollten klein und ausgeglichen sein. Ein konstant hoher Korrekturwert an einer PDE deutet auf ein Problem hin....das zeigt sich dann auch in fehlender Laufruhe. Wenn die PDEs nicht mehr paßgenau sitzen und demzufolge schwach abdichten, dann ziehen sie im Stillstand nicht nur Luft sondern auch Motoröl ins Dieselsystem, was den Kraftstoff dunkel färbt. Auch eine undichte Tandempumpe kann Motoröl ins Dieselsystem übertreten lassen. Bei mir war der Kraftstoff glasklar und der Motor lief (wenn er lief) wie ein Uhrwerk....also zurück zum Dieselstrang.
Ich habe die Leitungen zum Tank (Vor- und Rücklauf) gecheckt. In Vor- und Rücklauf stand der Sprit bis Oberkante -- bei milden 12 Grad Außentemperatur. Eine Woche später checkte ich nochmal den Rücklauf bei 0 Grad Außentemperatur. Diesmal verschwand der Kraftstoff zügig Richtung Tank.
Neue Frage: wo im Kraftstoffsystem spielt die Außen-Temperatur eine zentrale Rolle?
Antwort: bei der Diesel-Vorwärmung.
Wird es kalt, wird der warme Rücklauf zum kalten Vorlauf umgeleitet. Beim Pumpedüse-Motor mit dem Kennbuchstaben BNV, wird dieser Bypass von einem Bauteil namens ´Kombiventil´ geregelt. Das Teil besteht aus einem Metallzylinder mit vier Anschlüssen. An den vier Anschlüssen hängen die Schläuche vom Vor- und Rücklauf, zwei Richtung Tank und zwei Richtung Motor. Das Kombiventil kombiniert mehrere Funktionen. Zuallererst sperrt es den Rückfluß Richtung Tank, sobald der Motor aus ist. Geht beim Starten die Vorförderpumpe in Betrieb, dann drückt der Vorförderdruck das Doppel-Ventil auf und gibt damit auch den Rücklauf zum Tank frei. Ist das Kombiventil defekt, dann wird der Rückfluß zum Tank nicht mehr gesperrt. In der Folge kann der Kraftstoff zurück in den Tank fließen....genau das passierte hier -- und zwar immer dann, wenn es draußen kälter war.
In hydraulischen Systemen folgt die Flüssigkeit dem Weg des geringsten Widerstandes. Bergauf geht es Richtung Motor, bergab geht es Richtung Tank. Mir dämmerte, daß ein defektes Kombiventil den Sprit auf kurzem Wege wieder bergab in den Tank zurückfließen läßt. Gummiteile, Dichtungen und Schlauchanschlüsse ziehen sich bei Kälte zusammen, was unerwünschten Rückfluß (und Nachziehen von Luft ins System) zusätzlich begünstigt. Die Voraussetzung für eine latente Selbstentleerung entwickelt sich an vielen Ecken zugleich. Irgendwann (meistens zum unpassendsten Zeitpunkt) wird die Problematik akut.
Habe das Kombiventil ausgebaut und getestet. Dazu habe ich Luft in den Tank-Vorlauf (am Ventil) gedrückt >> die Luft kam geschmeidig am Tank-Rücklauf wieder heraus. Es wurde also ein Teil des geförderten Kraftstoffes gleich wieder in den Tank zurückgedrückt. Je niedriger die Temperatur, um so mehr Kraftstoff floß auf kurzem Weg vom Tank in den Tank.
Ein solcher Seitenweg zum Tank, macht dich am frühen Morgen krank. Ich hatte hier einen Fabia im Greta-Modus: spart reichlich Sprit und CO2, weil der Motor von der Dieselzufuhr abgeschnitten worden ist......der feuchte Traum grüner Politiker.
Bei längerer Standzeit stellen auch die PDEs kein Rückfluß-Hindernis dar....steter Tropfen höhlt das Kraftstoffsystem....und dann ist der Dieselfilter morgens nur noch halb voll. Um genau das zu verhindern, haben die VW-Leute das Kombiventil verbaut. Man kann das Kombiventil testen ohne es ausbauen zu müssen. Wenn man das Teil mit einem Heißluftgebläse anwärmt, schaltet es um auf Sommerbetrieb, d.h. Vor- und Rücklauf werden getrennt. Nun sollte/könnte der Motor schneller anspringen. Wer sich für sibirische Starthilfe begeistert, kann bei der Haarföhn-Kaltstart-Methode bleiben. Springt der Motor nun besser an, so ist das Kombiventil schon mal eine gute Adresse. Eine zweite Methode besteht im Abziehen der Rücklauf-Leitung am Wärmetauscher (das sind die drei horizontalen Metallrohre am Ventildeckel). Wenn sich der Kraftstoff nun Richtung Tank verabschiedet oder bereits verzogen hat, dann sperrt das Kombiventil nicht mehr.
Der Pumpentopf (Tank) besitzt am Ausgang ein zusätzliches Rückschlag-Ventil. Im Rücklauf gibt es so etwas nicht. Allein der Vorlauf ist gegen Rückfluß doppelt gesichert. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 10:1 entleert sich das System via Rücklauf in den Tank.
Für das Kombiventil scheint es keine Dokumentation zu geben und aufschrauben läßt sich das Teil auch nicht. Vermutlich bewegt sich ein Hohlrohr-Stempel mit Seitenlöchern im Zylinder hin und her. Abhängig von der Hohlrohr-Position im Zylinder, wird der Durchfluß freigegeben oder gestoppt. Eine Rückholfeder sperrt den Rückfluß im Ruhezustand. Ist die Feder ausgeleiert, dann sperrt sie nicht mehr richtig. Eine zusätzlich eingebaute Bimetall-Feder (o.ä.) leitet den vorgewärmten Rücklauf im Winter zum Vorlauf um (>>Winterdienst).
Die Kosten für ein neues Kombiventil liegen bei rund 200 Euro plus Märchensteuer plus Einbau in der Werkstatt. Roundabout 300 Euronen kostet der Austausch in der Werkstatt. VAG läßt sich das Original-Bauteil fürstlich vergolden....im Westen nichts neues. Das Kombiventil sitzt (beim Fabia1 mit BNV-Motor) unterhalb vom Saug-/Ladedruck-Rohr und unter dem Kühlmittel-Ausgleichsbehälter (an letzterem mit einer Halterung befestigt) -- ein versteckter Tatort. Beim AMF-Motor gibt es das Kombiventil nicht. Da gibt es noch die alte Dieselvorwärmung (Bypass-Ventil auf dem Dieselfilter). Dafür hat der AMF noch einen Rücklauf-Kühler, den man beim BNV eingespart hat.
Die Geschichte geht noch weiter. Fortsetzung folgt....
Schöne Grüße vom Altensack.
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