Fabia 1: Trommelbremsen wieder fit machen Teil 1
Trommelbremsen werden oft als alter Hut belächelt, doch sie haben unbestreitbare Vorteile. Ein ganz großer Vorteil ist, daß das Trommelbrems-System viel weniger Wind und Wetter ausgesetzt ist.
Da Bremsscheiben am Hinterrad deutlich weniger Bremsleistung liefern müssen, bleiben die hinteren Scheiben kalt -- besonders im Winter. Und deswegen kann sich der Winter-Salz-Schmodder prima auf den hinteren Scheiben einnisten und sein schädliches Werk verrichten. Das sieht man den Scheiben dann sehr schnell an.
Trommelbremsen an den Hinterrädern sind dagegen in sich geschützt. Die Abwärme beim Bremsen bleibt länger in der Trommel und sorgt so für eine bessere Abtrocknung der Bremsen-Mechanik. Erst bei längeren Standzeiten fängt auch eine Trommelbremse intern an zu rosten. Einige gezielte Einbremsungen mit der Handbremse (bis die Trommel warm wird) entfernen den Flugrost von der inneren Lauffläche. Bei längeren Standzeiten ist es ratsam, die Handbremse nicht zu benutzen und statt dessen das Fahrzeug mit Unterlegkeilen und eingelegtem Gang zu sichern. Dann können keine angezogenen Bremsbacken an der Trommel festrosten. In einem solchen Fall gehen die Bremsbacken fest und lassen sich nicht mehr lösen.
Bevor man sich die Bremstrommeln vornimmt, ist es empfehlenswert, sich vorher einen kompletten Rep-Satz zu besorgen. Dieser besteht aus 4 Bremsbacken mit vorinstalliertem Gestänge (sehr angenehm), zwei Radbremszylindern und Kleinteilen. Mit diesem Paket geht die Bremsen-Erneuerung flott von der Hand. Ich empfehle das Bremsen-Erneuerungs-Set von ATE wegen der hervorragenden Qualität der Teile (deutlich besser als das Erneuerungs-Paket von Bosch). Das komplette Paket kostet ca. 200 Euro und ist sein Geld wert. Zwei Bremstrommeln kosten nochmal so um die 160 Euro -- falls man sie denn wirklich braucht.
Danach hat man längere Zeit Ruhe, denn Trommelbremsen verschleißen langsam.
1. Trommelbremse öffnen:
Das Fahrzeug ist hinten aufgebockt und das Rad entfernt. Es empfiehlt sich, zwei dicke Kanthölzer unterzulegen und die Verbundlenkerachse genau dort auf den Kanthölzern abzusetzen, wo sich die untere Aufnahme des Stoßdämpfers befindet. Das ist ein solider Absetzpunkt. Die Bremstrommel muß frei drehbar bleiben. Das gegenüberliegende Rad sichern wir mit zwei alten Bremsscheiben oder Bremskeilen gegen Wegrollen. Wer über eine Hebebühne verfügt, kann sich diesen Schmonzes sparen.
Wenn wir von oben hinter die Bremstrommel schauen, dann springt uns das hintere Teil vom Radbremszylinder (RBZ) ins Auge. Das Röhrchen mit der Gummikappe oben drauf ist die Entlüftung. Gleich daneben sitzt die Befestigungsschraube (Inbus) vom RBZ. Unterhalb der Entlüftung geht die Bremsleitung in den RBZ. Die Leitung wird von einer 11er-Flansch-Schraube im RBZ druckstabil fixiert. Die Flansch-Schraube muß sich mit einem 11er-Maulschlüssel gut lösen lassen (die Schraube hat Rechtsgewinde -- rechts von hinten betrachtet -- und wir gucken von vorne drauf; um die Schraube zu lösen, müssen wir von uns aus nach rechts drehen).
Wenn sich die Flansch-Schraube nicht lösen läßt, dann muß ein neues Stück Bremsleitung eingesetzt werden. Dabei sollte auch gleich der nachfolgende Bremsschlauch mit ersetzt werden. Der ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht mehr ganz frisch. Ist hingegen alles glatt gegangen, dann die Schraube wieder leicht anziehen. Und nun kommen wir zur Trommel:
Handbremse anziehen. Die Trommel wird von einer Torx-Schraube auf der Radnabe gehalten. Wenn alles stark verrostet ist, zunächst die Schraube mit Rostlöser besprühen, dann richtig warm machen (mit Heißluftpistole oder Lötlampe) und dann noch mal nachsprühen. Ein paar Minuten einwirken und abkühlen lassen. Nun mit einer kleinen Knarre und dem passenden Torx-Bit die Schraube lösen, aber noch nicht abschrauben sondern sanft wieder anziehen. Wir sind noch beim Vorspiel.
Nun die Handbremse lösen; die Trommel sollte sich nun frei drehen. Man dreht die Trommel, bis eine der fünf Bohrungen (für die Radschrauben) genau in Fahrtrichtung auf 3 Uhr bzw. 9 Uhr steht. Mit einem flachen Schraubendreher in diese Bohrung hinein, bis man einen federnden Widerstand spürt. Langsam von 9 Uhr auf 10 Uhr (linkes Rad) bzw. von 3 Uhr auf 2 Uhr (rechtes Rad) drehen. Der Schraubendreher sollte nun bei der Aufwärtsdrehung auf metallischen Widerstand stoßen. Die Spitze vom Schraubendreher liegt nun am Nachstell-Keil an. Diesen kräftig nach oben drücken. Nun haben die Bremsbacken maximalen Abstand zur Trommel. Ein paar leichte Hammerschläge auf die Trommel helfen, damit sich die innere Mechanik maximal lockert (genau wie im Yoga-Unterricht).
Jetzt wird die Torx-Schraube herausgedreht und die Trommel abgenommen. Torx-Schraube an einen sicheren Ort legen. Wird später wieder gebraucht.
2. Bremstrommel überarbeiten:
Die Lauffläche der Trommel hat sich etwas eingegraben und an den Rändern hat sich ein Grat gebildet. Ist die Kante sehr hoch, dann muß die Trommel ersetzt werden. Meistens genügt es jedoch, den Grat mit Schleifpapier o.ä. abzutragen und abschließend den Staub zu entfernen. Der Rost auf der Außenseite der Trommel hat für die Bremswirkung keinerlei Bedeutung. Trotzdem sollte man den groben Rost entfernen. Man kann abschließend Rostumwandler auftragen, um die erneute Rostbildung auf der Außenseite zu verlangsamen. Reine Kosmetik.
3. Bremsen-Mechanik in Augenschein nehmen:
Als erstes schaut man sich den Verschleiß der Bremsbacken an. Es ist normal, daß der Abrieb der einen Backe etwas größer ist als der der anderen. Wichtiger ist das allgemeine Laufbild. Je gleichmäßiger der Belag über die gesamte Backenlänge abgelaufen ist, um so besser ist der Zustand der Trommel. Ein schräges Ablaufbild ist immer ein schlechtes Zeichen. Ist der eine Belag sehr viel stärker runter als der andere, dann klemmt vermutlich einer der Stempel des Radbremszylinders. Um das zu checken, muß eine zweite Person sanft auf die Bremse treten, während man überprüft, ob beide Stempel oder nur einer aus dem Radbremszylinder herauskommen. Kommt nur ein Stempel heraus, während der andere klemmt, dann ist der RBZ auf jeden Fall hinüber. Gleiches gilt, wenn Bremsflüssigkeit an einer der Manschetten austritt. Wir tauschen hier das Teil in jedem Fall aus, weil uns ein Satz neue RBZ zur Verfügung steht. Der Austausch ist aber nicht zwingend erforderlich, wenn noch alles einwandfrei funktioniert. Triff eine Entscheidung.
4. Alte Bremsbacken ausbauen:
Am unteren Ende liegen die Backen auf einer Art Amboß auf und sind dort mit einer Feder gesichert. Diese Feder muß raus. Der Ausbau ist etwas hakelig und erfordert ein bißchen Übung. Jugend forscht. Die neuen Backen sind oben bereits zusammengebaut. Nach der Action mit der unteren Feder wissen Sie, was Ihnen da erspart bleibt. Nun gibt es noch zwei kleine Teller-Federn, die rechts und links in der Mitte der Bremsbacken sitzen. Die Teller oben mit einer Zange packen, etwas nach unten (gegen die Feder) drücken und um 90 Grad drehen. Dann kann der Teller abgenommen werden und die kleine Schraubenfeder fällt heraus. Den verbleibenden Stift nach hinten rausziehen. Danach hängt nur noch der Handbrems-Führungsarm am Handbrems-Seil. Backen-Zwilling oben vom RBZ und unten vom Amboß abnehmen. Das komplette Teil wird Richtung Heck herausgezogen (vorbei an der Radnabe). Dabei ist die Radnabe immer im Weg. Andererseits lohnt es nicht, deswegen die Radnabe auszubauen. Alles eine Frage der Übung.
Die befreiten Bremsbacken komplett nach vorne kippen (um 180 Grad drehen). Führungsarm liegt nun oben und zeigt nach oben. Das Handbrems-Seil-Ende aus dem Führungsarm herausdrehen. Der BB-Zwilling ist draußen.
Nach dem Entfernen der Bremsbacken ist der Blick frei auf jede Menge Dreck, der sich im Laufe der Zeit im Trommel-Inneren angesammelt hat (vor allem Rost und Belag-Abrieb). Ich beginne die Säuberung meistens mit einem kleinen Handfeger (Pappdeckel o.ä. unterlegen). Man kann aber auch einen Schlucksauger ansetzen und alles porentief absaugen. Von Preßluft rate ich eher ab, weil sich dabei der Staub großzügig in der Landschaft (und in der Atemluft) verteilt. Muß nicht sein.
Besonderes Augenmerk sollte man auf den ABS-Sensor verwenden. Der Zwischenraum zwischen Rotor und Sensor sollte zum Schluß frei von jeglichem Dreck sein. Zum Schluß ABS-Sensor und -Rotor mit Kriechöl einsprühen (Radnabe drehen).
Kriechöl auf der Innenseite der Trommel und auf dem Belag ist übrigens kein Problem, weil Kriechöl sich ganz schnell verkriecht, wenn es beim Bremsen warm wird. Kriechöl ist nicht scherstabil und verdampft schnell. Ich möchte niemanden ermutigen, die Bremse mit Kriechöl zu fluten. Ich rede hier von Resten, die ruhig in der Trommel verbleiben können. Kriechöl aus der Spraydose ist generell ein guter Bremsenreiniger für Trommelbremsen -- weil es gleichzeitig schmiert, Rost löst und in jede Ritze kriecht. Man kann Kriechöl auch gut zur Reinigung der Bremstrommel verwenden: einsprühen, einwirken lassen und dann sauber auswischen. Der Dreck bleibt im Lappen und die Lauffläche ist nachher blitzeblank. Nach meiner Erfahrung ermöglicht ein letzter Rest Kriechöl in der Trommel ein besonders weiches und damit schonendes Einbremsen der neuen Belege. Die fabrikneue Belag-Oberfläche ist rauh und muß sich erst an die Lauffläche der Trommel anpassen. Je sanfter diese Anpassung vollzogen wird, um so länger halten die Belege. Nach 10 km Bremsen-Test-Fahrt sind alle Spuren von Kriechöl aus der Trommel verschwunden.
Ende Teil 1.