Zusammenspiel von Kurbelwelle, Nockenwelle, Kolben beim 4-Zylinder- und 3-Zylinder-Motor

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      Zusammenspiel von Kurbelwelle, Nockenwelle, Kolben beim 4-Zylinder- und 3-Zylinder-Motor



      Hallo zusammen,
      wie ein 4-Takt-Motor arbeitet, weiß im Grunde jeder. Wie die Basisbausteine eines solchen Motors tatsächlich ineinandergreifen, damit der Motor sich zu drehen beginnt, das wissen schon nicht mehr so viele. Ich werde nun versuchen, diese Blackbox zu öffnen und einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Dazu gehört, alles so einfach und anschaulich wie möglich darzustellen. Ich sehe das Ganze weniger als technischen Vortrag sondern als ein Spiel. Meine Ambition ist es, passende Worte zu finden, die jedem einleuchten. Erst wenn sich im Kopf des Lesers eine Vorstellung von den Zusammenhängen entzündet, habe ich mein gestecktes Ziel erreicht. Sollen die Spiele beginnen....


      Arbeitsweise von 4-Zylinder- und 3-Zylinder-Motor -- eine Gegenüberstellung

      Nachfolgend geht es nicht um das Grundprinzip eines 4-Takt-Motors, sondern um das Zusammenspiel zwischen Kolben, Kurbelwelle und Nockenwelle. Es geht um eine rohe Skizzierung des Zusammenspiels und ich beschränke mich dabei auf Motoren mit einer Nockenwelle und zwei Ventilen pro Zylinder.

      Beim 4-Zylinder-Motor bilden die äußeren Kolben (1 und 4) sowie die inneren Kolben (2 und 3) jeweils ein Paar. Bei jedem Kolbenpaar befinden sich beide Kolben exakt auf gleicher Höhe. Geht das eine Kolbenpaar nach oben, dann geht das andere Kolbenpaar nach unten. Die Kolbenpaare bewegen sich also immer schön im Gegentakt zueinander. Gehen wir nun zur Nockenwelle. Auf der Nockenwelle haben wir eine Reihe von Nockenpaaren. Jedes Nockenpaar steuert Einlaß- und Auslaß-Ventil eines Zylinders an. Einlaß- und Auslaß-Nocken stehen dabei immer in einem festen Winkel zueinander.

      Passend zu den Kolbenpaaren stehen die Nockenpaare von Zylinder 1 und 4, sowie die Nockenpaare von Zylinder 2 und 3 spiegelbildlich zueinander. Die Nockenpaare von 1 und 4 haben eine gemeinsame Spiegelachse. Die Nockenpaare von 2 und 3 haben eine gemeinsame Spiegelachse.

      Wenn Zylinder 1 auf Zünd-OT (OT bedeutet oberer Totpunkt) steht, dann zeigt das Nockenpaar von Zylinder 1 nach oben und das Nockenpaar von Zylinder 4 gespiegelt nach unten. Weil Kolben 1 und 4 ein Paar bilden, befindet sich nun auch Zylinder 4 auf OT. Man könnte nun meinen, daß an Zylinder 4 die Ventile offen stehen -- tun sie aber nicht. Der Winkel zwischen den Nocken eines Nockenpaares wird so weit gewählt, daß bei OT beide Ventile (hier Zylinder 4) für einen kurzen Moment geschlossen sind, obwohl das Nockenpaar nach unten zeigt. Exakt in diesem Moment endet in Zylinder 4 der Auslaß-Takt und es beginnt der Einlaß-Takt. Gleichzeitig wird in Zylinder 1 gezündet -- dort beginnt nun der Arbeitstakt. Damit ist das Paarungsverhalten von Nocken und Kolben fürs erste hinreichend beschrieben.

      Die Nockenpaare von 1 und 4 haben eine gemeinsame Spiegelachse und die Nockenpaare von 2 und 3 haben eine gemeinsame Spiegelachse. Beide Spiegelachsen stehen senkrecht aufeinander und bilden ein Kreuz. Dreht sich die Nockenwelle um 90 Grad weiter, so zeigt nun das Nockenpaar von Zylinder 3 nach oben. Zylinder 3 zündet. Weitere 90 Grad weiter steht das Nockenpaar von Zylinder 4 oben. Zylinder 4 zündet. 90 Grad später ist Zylinder 2 an der Reihe.
      Die Zündfolge ist also 1 - 3 - 4 - 2 .
      Weil sich die Nockenwelle nur halb so schnell dreht wie die Kurbelwelle, entsprechen 90 Grad an der Nockenwelle 180 Grad an der Kurbelwelle. Jede halbe Kurbelwellen-Umdrehung findet eine Zündung statt. Ein 4-Zylinder-Motor zündet also pro volle Umdrehung zweimal.

      Beim 3-Zylinder-Motor sind die Nockenpaare für jeden Zylinder um 120 Grad zueinander versetzt. Entsprechend sind auch die Kolben auf der Kurbelwelle jeweils um 120 Grad zueinander versetzt. Dreimal 120 Grad ergibt 360 Grad, also eine volle Umdrehung. Gezündet wird alle 240 Grad Kurbelwellen-Drehung (das sind 180 Grad plus 60 Grad).
      Die Zahl der Arbeitstakte (Zündungen) pro volle Umdrehung ist also kleiner als zwei.

      Um den Zündabstand von 240 Grad (120 Grad plus 120 Grad) zu erreichen, wird immer ein Zylinder übersprungen:

      1 - 2 - 3 - 1 - 2 - 3 - 1 - 2 - 3
      1 >>> 3 >>> 2 >>> 1 >>> 3 >>> usw.

      Auch die Nockenwelle vom 3-Zylinder-Motor dreht sich mit halber Kurbelwellen-Drehzahl.

      Speziell beim Pumpedüse-Motor haben wir es nicht mit Nockenpaaren sondern Nocken-Drillingen zu tun. Die dicke Nocke in der Mitte steuert eine PDE an. Die beiden schmaleren Nocken steuern die Ventile.

      Damit will ich es erstmal bewenden lassen. Wer in Grundzügen verstanden hat, wie der Hase läuft, der hat eine ganze Menge verstanden.

      Da dies als Bastelstube gedacht ist, ist jeder herzlich eingeladen, dem Gesamtkunstwerk weitere Bauklötzchen hinzuzufügen -- oder Kritik anzumelden, falls ich irgendwo Mist erzählt haben sollte. Es geht darum, mit den Bausteinen zu spielen....wenn man einmal damit anfängt, entwickeln sich ganz von alleine kreative Gedanken und Ideen, die einem später im praktischen Alltag weiterhelfen. Denken und Verstehen ist immer eine persönliche Angelegenheit.

      Schöne Grüße vom Altensack.


      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „altersack“ ()

      Zündfolgen für Fortgeschrittene

      Jede Zündung hat Folgen....und deswegen braucht es Zündfolgen....


      Ein paar Ergänzungen zum Thema ´Zündfolgen´.

      Was ich oben für die Zündreihenfolge des Dreizylinders geschrieben habe, ist formal richtig und auch plausibel, doch wie immer steckt der Teufel im Detail der Anordnung. Fakt ist: die Zündfolgen 1 - 3 - 2 und 1 - 2 - 3 sind beide möglich -- nicht nur theoretisch sondern auch praktisch.
      Welche Zündreihenfolge beim Dreizylinder gegeben ist, hängt von der Reihenfolge der Pleuelzapfen auf der Kurbelwelle ab.
      Steht Zylinder 1 auf OT (oberer Totpunkt), dann steht der Pleuelzapfen von Zylinder 1 auf 12:00 Uhr (also ganz ganz oben).

      Beim in der Zündfolge nachfolgenden Zylinder muß der Pleuelzapfen plus 120 Grad stehen. Das entspricht ungefähr der 16:00 Uhr - Stellung.
      Von dieser Position bis zum Zündpunkt (Zünd-OT) sind es in Dreh-Richtung genau 240 Grad....und das ist der Zünd-Abstand von einem Zylinder zum nachfolgenden in der Zünd-Reihenfolge -- wohlgemerkt beim Dreizylinder.
      Beim letzten Zylinder in der Reihe muß der Pleuelzapfen auf minus 120 Grad stehen. Das entspricht angenähert der 8:00 Uhr - Position. Von da aus sind es in Dreh-Richtung genau zweimal 240 Grad bis zum Zünd-OT. Der Clou ist folgender:
      Die 16:00 Uhr - Position kann an der zweiten Stelle (Zylinder 2) oder an der dritten Stelle (Zylinder 3) auf der Kurbelwelle sitzen. Das liegt im Ermessen der Motorbauer. Welcher Zündfolge der Vorzug gegeben wird, hat einiges mit dem angestrebten Massenausgleich zu tun.
      Beim 3-Zylinder-PD-Motor von VW findet der Massenausgleich vor allem über eine Ausgleichswelle statt, die gegenläufig mitläuft. Andere Konstrukteure versuchen den Massenausgleich über Gegengewichte an der Kurbelwelle hinzukriegen (so hat es meines Wissens Mercedes beim 3-Zylinder-Diesel für den Smart gemacht). Je nachdem für welche Ausgleichs-Maßnahme man sich entscheidet, kann die Wahl einer bestimmten Zündfolge Vorteile bringen. Ohne speziellen Massenausgleich läuft ein 3-Zylinder in jedem Fall unrund -- um es mal höflich auszudrücken.
      Aus dem Bauch heraus würde ich mich immer für die Zündfolge 1 - 3 - 2 entscheiden.
      Allerdings ist 1 - 3 - 2 gleichbedeutend mit 3 - 2 - 1 (wenn man mit Zylinder 3 anfängt zu zählen).
      In beiden Fällen haben wir eine lineare Zündreihe, was man eigentlich immer zu vermeiden versucht.
      Warum? Dazu komme ich noch.

      Kommen wir jetzt zum Vierzylinder:
      Auch beim 4-Zylinder-Motor sind unterschiedliche Zündfolgen möglich. Beim 4-Zylinder läßt sich die Zündreihenfolge mit geringem Aufwand dadurch ändern, in dem auf der Nockenwelle die Nockenpaare von Zylinder 2 und 3 spiegelbildlich vertauscht werden.
      Wenn man das macht, dann zündet Zylinder 2 an zweiter Stelle und erst ganz zum Schluß Zylinder 3.
      Die resultierende Zündfolge wäre dann 1 - 2 - 4 - 3 ( anstatt 1 - 3 - 4 - 2 ).

      Greift man zum großen Besteck, dann geht man an die Kurbelwelle ran und verändert dort die Kolbenpaarung.
      Zylinder 1 und 3, sowie Zylinder 2 und 4 können auch Kolbenpaare bilden >> das wäre ein gemischtes Doppel.
      Damit sind zwei weitere Zündfolgen möglich: 1 - 4 - 3 - 2 und 1 - 2 - 3 - 4 .
      1 - 4 - 3 - 2 ist gleichbedeutend mit 4 - 3 - 2 - 1 (mit Zylinder 4 angefangen zu zählen).

      Diese Zündfolgen wären keine gute Idee, weil durch die linear-fortlaufende Zünd-Reihenfolge Nickschwingungen entlang der Längsachse des Motors auftreten können. Darunter leidet vor allem die Kurbelwelle (und deren Lagerung)....den Rest muß die Motoraufhängung wegstecken. Besser ist es, wenn sich die Zündungen abwechslungsreich auf die Zylinder verteilen.
      Beim Dreizylinder lassen sich derartige Nickschwingungen offensichtlich nicht vermeiden. Dafür ist die Kurbelwelle kurz, wodurch Aufschaukeleien zu höheren Frequenzen hin verschoben werden. Gefährlich für den Motor sind tiefe Resonanzen, die beim kurz bauenden Dreizylinder kaum in Erscheinung treten können.

      Aus einem ähnlichen Grund ist es bei Paraden verboten, im Gleichschritt über Brücken zu marschieren....eine Brücke könnte derart in Schwingung versetzt werden, daß sie einstürzt.
      Die Carola-Brücke ist also nicht eingestürzt, weil sie baufällig war -- sondern weil russische Geisterarmeen nächtens im Gleichschritt über die Carola-Brücke gestampft sind. Unsere Qualitäts-Medien klären uns rund um die Uhr darüber auf, daß Putin überall sein Unwesen treibt....am täglichen Schwachsinn im eigenen Land kann es unmöglich liegen.

      Schöne Grüße vom Altensack.


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