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Einstellen der korrekten Zahnriemenspannung........nicht ganz so einfach wie es sich anhört
Ich greife dieses Thema mal auf, weil ich vor kurzem den Zahnriemen neu gemacht habe (inklusive Wasserpumpe und allem was dazu gehört).
Beim Abstieg in den Kaninchenbau spricht ständig die innere Stimme vergangener blutiger Erfahrungen zu mir:
Hab ich den Schwachsinn nicht voll verstanden, so werd ich auf der Schnauze landen....
Also möchte ich immer ganz genau wissen, womit ich es zu tun habe.
Bereits beim alten Zahnriemen fiel mir auf, daß die Spannrollen-Markierung permanent eine höhere Vorspannung anzeigte als vorgeschrieben. Daraufhin setzte ich die Vorspannung an der Spannrolle etwas zurück. Doch nach kurzer Zeit zeigte die Markierung erneut eine höhere Spannung an. An einer Längung des Zahnriemens konnte es nicht liegen, weil dann die Vorspannung nachlassen müßte anstatt anzusteigen. Beim Abstecken auf OT (beim Zahnriemenwechsel) konnte ich später auch keine Längung des alten Zahnriemens feststellen. Die Werte stimmten noch.
Da der (alte) Zahnriemen sauber und unauffällig seine Runden drehte, nahm ich den permanent erhöhten Spannungswert schließlich als gegeben hin. Die Spannung hatte ich ja bereits etwas zurückgenommen. Irgendwie dämmerte mir, daß der erhöhte Spannungswert nicht auf schlampige Einstellarbeit in der Werkstatt zurückzuführen war. Was sich hier zeigte, mußte irgendwie mit der Eigendynamik des Motors während des Betriebes zu tun haben. In Vorbereitung auf den Zahnriemenwechsel las ich dann im Reparaturbuch:
„Die Spannung des Zahnriemens muß bei kaltem Motor eingestellt werden.“
Als ich das las, fiel es mir wie Schuppen von den Haaren. Der Zahnriemen verbindet Kurbelwelle und Nockenwelle. Zwischen oberem und unterem Umlenkpunkt des Zahnriemens befindet sich der Motorblock. Wird der Motor heiß, dann dehnt sich der Block aus, er längt sich (vermutlich um wenige Millimeter) und erhöht damit die Zahnriemenspannung. Die Feder der Spannrolle reagiert auf die Spannungs-Erhöhung und der Markierungs-Pfeil wandert über die Einstell-Nut hinaus zu höheren Werten. Ich hatte die Markierung immer dann abgelesen, wenn der Motor heiß war.
Im Grunde verhält sich die Feder der Spannrolle wie das Ausdehnungsgefäß einer Heizungs-Anlage. Wenn die Temperatur im Kessel steigt, dehnt sich das Heizungswasser (oder das Wasser im WW-Speicher) aus. Die thermische Ausdehnung wird vom Ausdehnungsgefäß (das zunächst mit Gas gefüllt ist) aufgenommen. Das Wasser kann sich im Gefäß ausdehnen und komprimiert dabei das Gas. Durch das Komprimieren des Gases steigt der Wasserdruck weniger stark an, als wenn es kein Ausdehnungsgefäß gäbe. Am Zahnriemen haben wir analoge Verhältnisse.
Die Feder der Spannrolle gleicht den Anstieg der ZR-Spannung (durch thermische Ausdehnung des Motorblocks) weitestgehend aus. So bleibt der tatsächliche Anstieg der ZR-Spannung (wegen der Feder) im überschaubaren Rahmen.
Bei den alten Wirbelkammer-Dieseln von VW hatten die Spannrollen keine Feder. Die Zahnriemenspannung wurde auf einen starren Wert eingestellt. Dafür war die einzustellende Vorspannung niedriger. Es galt die Faustregel, daß der Zahnriemen um 90 Grad gedreht werden kann, dann stimmt die Spannung. Bei den moderneren Dieseln (mit Feder-Spannrolle) läßt sich der Zahnriemen (bei korrekter Vorspannung) um maximal 45 Grad verdrehen. Die höhere Vorspannung trägt den höheren Belastungen Rechnung, denen heutige Zahnriemen gewachsen sein müssen....ohne überzuspringen.
Weil die Feder für Spannungs-Ausgleich sorgt, kann die Zahnriemen-Vorspannung (bereits im kalten Zustand) höher ausfallen, ohne daß es bei Betriebs-Temperatur zu einer Überdehnung des Zahnriemens kommt.
Wenn man sich diese Zusammenhänge klar gemacht hat, ist es einfach und irgendwie logisch. Wenn man es nicht weiß, steht man davor wie der Ochse vorm Scheunentor. Als ich meine Einsichten in der Werkstatt meines Vertrauens ausbreitete, guckte man mich (zunächst) mit großen Kulleraugen an. Den Profi-Schraubern war dieser Zusammenhang auch nicht so präsent, obwohl die Jungs ständig Zahnriemen wechseln. Wozu etwas verstehen, wenn es Vorgaben der Hersteller gibt. In der Werkstatt versteht man die Dinge instinktiv....durch wiederholte praktische Anwendung. In einer Werkstatt überwiegt die Routine. Wenn Werkstatt-Leute gezwungen sind nachzudenken, dann muß die Kacke aber so richtig am Dampfen sein.
Ich wechsle den Zahnriemen eher selten, weswegen unheimliche Begegnungen der technischen Art bei mir dazu gehören. An allen Ecken stolpere ich über Dinge, die ich noch nicht in voller Gänze durchschaut habe.
Im Garten der Ahnungslosigkeit gedeihen die richtig schrägen Sachen, denn der Fehlerteufel versteckt sich mit Vorliebe hinter jenen Details, die ich noch nicht auf dem Schirm habe....und dann passieren urplötzlich die richtig üblen Sachen....
Um Streß zu vermeiden, habe ich mir eine gewisse Pingeligkeit im Umgang mit seltsamen Dingen angewöhnt.
Genaugenommen gibt es gar keinen fixen Spannungswert. Wenn man die Kurbelwelle von Hand durchdreht (wie man es laut Handbuch machen soll, nachdem man den Zahnriemen frisch aufgelegt hat), dann wandert der Markierungspfeil an der Spannrolle ständig hin und her....weil sich die Zugkräfte am Zahnriemen je nach Drehwinkel verändern. Es ist eher Zufall, wenn sich der Markierungspfeil der Spannrolle (bei kaltem und abgeschaltetem Motor) exakt an der Einstell-Nut befindet.
Bei mir zeigt der Pfeil meistens höhere Werte an. Erst wenn ich den kalten Motor starte, springt der Markierungs-Pfeil
in die vorgesehene Nut. Erst im Leerlauf gleichen sich die Kräfte an Kurbel- und Nockenwelle soweit aus, daß der Markierungs-Pfeil der Spannrolle stabil an einer Stelle steht. Genau jetzt (bei kaltem, laufendem Motor) sollte sich der Pfeil in der Nut befinden. Die Nut an der Spannrolle markiert den Minimalwert, der im Fahrbetrieb möglichst nicht unterschritten werden sollte.
Es ist Aufgabe der Spannrollen-Feder, die wechselnden Kräfte, die auf den Zahnriemen wirken, aufzunehmen und auszugleichen. Die Atmungen der Feder sind an der Bewegung des Markierungs-Pfeiles erkennbar und zeigen uns, daß die Spannrolle jener Arbeit nachkommt, für die sie konstruiert worden ist. Weil die Spannfeder die unterschiedlichen Zugkräfte ständig ausgleicht, sind Abweichungen der ZR-Spannung vom Richtwert (egal ob nach oben oder nach unten) selten ein Grund zur Sorge. Die Spannfeder kompensiert fast alles. Früher haben sich Zahnriemen im Laufe der Zeit deutlich gelängt und die Federspannung sackte in der Folge etwas ab. Erfahrene Werkstatthasen sahen darin aber kein Problem. Die heutigen Zahnriemen sind aus anderem Material gefertigt. Sie längen sich kaum noch, verkraften höhere Zugkräfte und sind außerdem alterungsbeständiger.
Einmal pro Jahr sollte man die Haube abnehmen, den Motor starten und einen prüfenden Blick auf den laufenden Zahnriemen werfen. Eine solche Sichtprüfung sagt einem mehr als tausend Worte. Etwas Silikonspray auf beide Seiten des ZR aufsprühen (während er läuft), gehört für mich seit vielen vielen Jahren zur ZR-Systempflege (einmal pro Jahr). Silikon schützt vor Alterung und hält den Zahnriemen dauerhaft geschmeidig. Nach kurzer Zeit ist der Zahnriemen wieder trocken und läuft danach (meistens) geräuschärmer. Außerdem beruhigt das Silikon auf magische Weise den Markierungs-Pfeil der Spannrolle.
In praktisch jedem Augenblick des Lebens steht uns weniger Information zur Verfügung, als wir zur optimalen Bewältigung einer Situation wissen müßten. Also sind wir gezwungen, in einem Betriebsklima der Unschärfe zu operieren....unser alltägliches Schicksal. Machen wir das Beste draus.
Schöne Grüße vom Altensack.
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